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Neue Klauselentscheidung des OGH lässt Vermieter durchatmen

  • Pflaum Partner
  • 6. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf längerfristige Bestandverträge verneint


Der Entscheidung des 10. Senates des OGH vom 30.7.2025 zu GZ 10 Ob 15/25s liegt ein Sachverhalt zugrunde, wie er sich bereits in vielen anderen (höchstgerichtlichen) Klauselentscheidungen der letzten Jahre wiederfindet: Die die klagende Mieterin begehrte in einem Individualprozess die (Rück-) Zahlung von zu viel bezahltem Mietzins und machte

unter anderem geltend, dass die Wertsicherungs-

klausel des Mietvertrages gegen § 6 Abs 2 Z 4 Konsumentenschutzgesetz (kurz: KSchG) verstoße. 

 

Die Bezeichnung als Konsumentenschutzgesetz verrät bereits, dass es nur auf spezielle Rechtsgeschäfte anwendbar ist. Damit ein Rechtsgeschäft überhaupt in den Anwendungsbereich des KSchG fällt, muss es auf der einen Seite von einem Unternehmer und auf der anderen Seite von einem Verbraucher abgeschlossen werden. Die gegenständliche Entscheidung ist daher nur für Sachverhalte relevant, wo ein Mietvertragsverhältnis zwischen einem unternehmerischen Vermieter und einem Verbraucher als Mieter besteht. Keine (unmittelbare) Relevanz hat die Entscheidung hingegen für Mietverträge zwischen zwei Privaten oder zwei Unternehmern.

 

Gemäß § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ist eine Klausel unzulässig, wonach dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringenden Leistung ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt zusteht, sofern die Klausel nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde.

 

Die jüngere Judikatur des OGH hat § 6 Abs 2 Z 4 KSchG in mehreren Verbandsverfahren auch dann für anwendbar erachtet, wenn sich die Klausel auf einen Bestandvertrag bezog. So verstoße eine (Wertsicherungs-) Klausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, weil bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könnte (2 Ob 36/23t). Der Vermieter habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der zahlenmäßig vereinbarte Mietzins zumindest für die nächsten Monate verbindlich ist (8 Ob 37/23h). § 6 Abs 2 Z 4 KSchG sei auch auf den Mietzins und entsprechende Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen anwendbar (9 Ob 4/23p). Die Ansicht, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse nicht anzuwenden sei, sei weder vom Wortlaut noch vom Zweck des Gesetzes gedeckt (8 Ob 6/24a).

 

Insgesamt ist also festzuhalten, dass die jüngere Rechtsprechung des OGH (trotz oder gerade wegen der tendenziell eher oberflächlichen Behandlung dieses Themas) keine Bedenken bei der Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG hatte, was im Schrifttum durchaus scharf und unter Zuhilfenahme gewichtiger Gegenargumente kritisiert wurde.

 

In seiner Entscheidung zu GZ 10 Ob 15/25s setzt sich der OGH erstmals im Detail mit der Kritik im Schrifttum, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch für Bestandverträge gilt, die auf eine längere Dauer als zwei Monate angelegt sind, auseinander und stellt folgende Erwägungen an:

 

  • Das Erfordernis einer "Aushandlungsvereinbarung" in § 6 Abs 2 Z 4 KSchG soll Verbraucher, die typischerweise nicht mit einer besonders kurzfristigen Erhöhung des Entgelts rechnen, vor Überraschungen schützen. Aus diesem Grund sind unter diese Bestimmung fallende und nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbestimmungen nichtig.

 

  • Der Zweck der Norm beschränkt sich damit auf die Verhinderung dieses Überraschungsmoments. Wenn daher bereits die ursprüngliche Vereinbarung des Preises nicht den Anschein von dessen Unveränderlichkeit erweckt, so ist auf diese Weise den Einschränkungen des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG Genüge getan und das Entgelt auch innerhalb der "Sperrfrist" von zwei Monaten abänderbar.

 

  • Bei Wertsicherungsabreden zur inflationsbedingten Anpassung des Entgelts in einem langfristigen Dauerschuldverhältnis besteht keine Gefahr der erwähnten Überraschung. Ein wertgesicherter Bestandzins erweckt beim Bestandnehmer "gerade kein Vertrauen auf eine unveränderbare Fixmiete, das rücklings wieder enttäuscht würde".

 

  • Im Hinblick auf einzelne Bestimmungen des MRG, wonach der Mietzins zulässigerweise einer Wertsicherung unterliegen kann, wäre es schwer erklärbar, eine inflationsbedingte Anpassung des Entgelts bei auf längere Dauer angelegten Bestandverhältnissen als "überraschende, einseitige Entgelterhöhung" zu qualifizieren.

 

  • Im Einklang mit dem aufgezeigten Normzweck (= Verhinderung des Überraschungsmomentes) indiziert die Einschränkung auf "seine innerhalb von zwei Monaten […] zu erbringende Leistung" klar, dass nur solche Verträge erfasst sind, die vom Unternehmer innerhalb von zwei Monaten zur Gänze erfüllt werden müssen. Nur bei einem kurzfristig zu erfüllenden Vertrag soll und darf sich der Verbraucher ohne Weiteres darauf einstellen, dass der vereinbarte Preis im Zuge der Leistungsabwicklung keine Anpassung erfährt.

 

  • Eine Wertsicherungsklausel in einem längerfristigen Mietvertrag lässt sich auch nicht zeitlich gestaffelt in einen unzulässigen (die ersten zwei Monate betreffenden) und einen zulässigen (darüberhinausgehenden) Teil zerlegen.

 

  • Auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ergibt sich, dass die Regel (nur) für solche Verträge gelten soll, "die unverzüglich oder doch sehr rasch zu erfüllen sind". Das ist bei klassischen Bestandverträgen über Wohnungen oder Geschäftsräume (anders etwa als bei Verträgen über Mietwägen, Urlaubsunterkünfte oder Tennisplätze) in aller Regel eben nicht der Fall. Langfristige Bestandverträge sind gerade nicht "unverzüglich oder doch sehr rasch zu erfüllen".

 

  • Auf längerfristige Dauerschuldverhältnisse mit typischerweise wiederkehrend zu erbringenden, vielfachen Leistungen ist die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG somit nicht zugeschnitten.

 

Unter Berücksichtigung all dieser Erwägungen kommt der 10. Senat des OGH zum Schluss, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse (etwa Bestandverträge), die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist, nicht anwendbar ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Wertsicherungsvereinbarungen auch dann zulässig und wirksam sind, wenn eine wertsicherungsbedingte Anpassung des Mietzinses bereits in den beiden ersten Monaten nach Vertragsschließung erfolgt.

 

Fazit: Die gegenständliche Entscheidung ist die erste, die sich mit der Anwendbarkeit von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Dauerschuldverhältnisse vielschichtig und im Detail auseinandersetzt. Es bestehen daher durchwegs gute Chancen, dass sich diese Rechtsprechung in Zukunft festigen wird und Wertsicherungsvereinbarungen in längerfristigen Mietverträgen nicht mehr an der "Hürde" des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG scheitern. Bei aller Euphorie über dieses Judikat darf aber auch künftig nicht übersehen werden, dass sich Wertsicherungsklauseln auch weiterhin an den Maßstäben des § 879 Abs 3 ABGB sowie §§ 6 Abs 1 Z 5 und Abs 3 KSchG messen lassen müssen.



Christoph Henseler, Michael Rommer












 
 
 

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